On national and Europe-wide referendums – and why Switzerland is a flawed role model.

Europe’s Fear of the Electorate

Translation of Book Chapter from „Europe between Populists and Bureaucrats“ by Goethe Institute, Project Freiraum, 2019.

By Niklaus Nuspliger


Parliament empty chairs

The history of relations between Switzerland and the EU can be told as a tale of misunderstandings. After the Swiss voted „no“ to accession to the European Economic Area (EEA) in 1992, the EU agreed to sectoral agreements on the assumption that Switzerland would join the Union later. Switzerland calls this relationship to Brussels bilateral, while the EU points out that Switzerland’s cooperation agreements and its participation in the internal market make it a party to a multilateral project – so it should follow the rules accordingly.
Another cause of misunderstandings is the difference in the way they view referendums. In the autumn of 2018, when Alain Berset, the Swiss president at the time, spoke in Brussels about the negotiations on a framework agreement, he stressed that, in a direct democracy, the government cannot simply conclude treaties that are liable to be rejected by the electorate. The EU has little patience with this argument because any country can always claim it is hindered by some domestic policy considerations.

Over the years, moreover, Brussels has grown increasingly sceptical about direct democracy, seeing as member states’ referendums on European policy have rarely turned out favourably for the EU. Former British Prime Minister Margaret Thatcher was anything but an ardent European, and yet her remark that referendums are a „device of dictators and demagogues“ would be well received in Brussels today. The Swiss, on the other hand, regard direct democracy as the best, if not the only true, form of democracy, and other European countries as, at best, second-rate democracies. This opinion was borne out, they felt, as they watched various European countries experiment with referendums in recent years as a means of countering the democratic recession.
But such experiments in direct democracy also raise some questions I would like to address in the following. Is it possible to transplant elements of direct democracy in a representative system just like that? Are national referendums suitable tools for use in international relations? Do referendums make a country more democratic per se? And why does the Swiss brand of direct democracy find its most fervent advocates in right-wing nationalist circles?

Link to the full book chapter in English.

Buchkritik, Süddeutsche Zeitung, Thomas Kirchner 13.5.2019

12. Mai 2019, 18:50 Uhr

Europas Chancen, Europas Risiken

Der Journalist Niklaus Nuspliger deutet das Brüssel-Projekt aus Schweizer Perspektive.

Von Thomas Kirchner

Schweizer Journalistinnen und Journalisten spielen eine Sonderrolle in Brüssel. Sie nehmen teil an den formellen und informellen Gesprächskreisen in Europas Hauptstadt, sind bestens informiert. Doch weil ihr Land nicht in der EU ist, scheint es, als könnten sie etwas unabhängiger, freier berichten, weil sie gleichsam von innen wie von außen auf die Union der Europäer blicken.

Niklaus Nuspliger, Brüssel-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung,beweist das nicht nur in seiner täglichen Arbeit, er hat diesen Vorteil nun auch in ein Buch umgemünzt, das die Lage der europäischen Dinge, im Guten wie im Schlechten, aus einer angenehm neutralen Perspektive beleuchtet. Wert und Nutzen der europäischen Zusammenarbeit stellt er keineswegs infrage, hat aber einen scharfen Blick für deren Defizite.

Unter den Buchdeckel packt er, in klarer, marottenfreier Sprache, allerlei. Zunächst einen Führer, der die verschlungenen und nicht leicht verständlichen politischen Abläufe der EU anschaulich macht. Er zeigt die Komplexität und die Beschränkungen der europäischen Demokratie auf, insbesondere das Problem der „unvollendeten“ EU-Demokratie: „Das Europaparlament und die Kommission sind zu schwach und die Mitgliedstaaten sind zu mächtig, als dass eine gesamteuropäische Demokratie entstehen könnte, die diesen Namen verdient.“ Die naheliegende Lösung, das Parlament noch mächtiger zu machen, hält Nuspliger für unrealistisch.

Daneben liefert das Buch einen Überblick über die Gefahren, die der Union drohen. Etwa von Nationalisten und Populisten: Das Gefährliche an ihnen ist ja nicht ihr Anrennen gegen die EU, dem man mit Argumenten begegnen könnte. Es ist ihr antipluralistischer, Andersdenkende unter Berufung auf „das“ Volk disqualifizierende Politikansatz, der sich mit der liberalen Demokratie nicht verträgt. Hinzu kommen tatsächliche und gefühlte Bedrohungen durch Technokratisierung, Globalisierung, die Echokammern der sozialen Medien, durch all die neuen Möglichkeiten, Menschen zu lenken und zu manipulieren.

Doch sieht Nuspliger auch die Chancen innovativer Technologien: für bessere Information und vor allem mehr Partizipation. Ausführlich bespricht er Modelle der deliberativen Demokratie, wie sie etwa der Belgier David Van Reybrouck vertritt. Er sieht kein Allheilmittel darin, sondern eine Ergänzung zum normalen politischen Wettstreit über Wahlen und Abstimmungen. Wie er auch die direkte Demokratie, mit der er sich als Schweizer auskennt, der EU nur in gezielten Dosen empfiehlt, jedenfalls nicht in Form von nationalen Volksabstimmungen zu europäischen Themen.

Dieses Buch steckt randvoll mit Gedanken und Beobachtungen, die zum Weiterdenken animieren. Mehr geht kaum auf so wenig Platz.

Handelsblatt, 23.5.2019

Wie Europa zu mehr Zusammenhalt finden kann

Europa muss sich reformieren – aber wie? Mehrere Buchtitel machen vor der anstehenden Wahl Vorschläge, um die Europäer einander näher zu bringen. Eva Fischer 23.05.2019 – 15:10 Uhr 

In drei Büchern werden Lösungen vorgestellt, die Europa zu mehr Zusammenhalt führen könnten. Quelle: dpa

In drei Büchern werden Lösungen vorgestellt, die Europa zu mehr Zusammenhalt führen könnten.(Foto: dpa)

Brüssel Die Landeskürzel auf den Namenskarten zeigen, wo die Deutschen, Niederländer, Italiener, Spanier, Franzosen, Portugiesen und all die anderen Nationen ihren Platz haben. Es ist ein Treffen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, einer beratenden EU-Institution im Brüsseler Politikbetrieb.

Am Rand des Konferenzsaals befinden sich 23 schalldichte Kabinen hinter einer Glasfront. Dort sitzen die Dolmetscher für die Amtssprachen der EU, darunter Minisprachen wie Maltesisch und Gälisch. Die Luxemburger haben auf eine letzeburgische Simultanverdolmetschung verzichtet, deshalb gibt es nur 23 und nicht 24 Kabinen. Aber auch so ist es ein Wirrwarr für die Übersetzer: Jede Sprache in jede andere zu übersetzen ergibt rein rechnerisch 276 Kombinationen.

Rein räumlich sind sich die Europäer wohl nirgendwo so nah wie in den EU-Institutionen. Und doch liegt eine große Barriere zwischen ihnen. Jakob, Jack, Jacques, Giacomo und Jakub reden zwar miteinander und tauschen Argumente aus, aber eben nur mithilfe von Dolmetschern.

Hier geht’s zur Buchbesprechung.


Interview Augsburger Allgemeine, 22.5.2019

Schweizer Journalist Nuspliger: „Demokratien sterben schleichend“

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Symbolträchtig: Europas Sterne drohen zu sinken.Bild: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

Der Schweizer Journalist und Buchautor Niklaus Nuspliger spricht im Interview über die Frage, ob und wie Europa noch zu retten ist.

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VON MICHAEL STIFTER

Herr Nuspliger, sind die Schweizer froh, dass Sie das „Endspiel um Europa“ nur vom Spielfeldrand aus beobachten müssen?

Niklaus Nuspliger: Es stimmt schon, wir sind nicht so direkt betroffen. Aber die Schweizer interessieren sich schon sehr dafür, was mit diesem Europa passiert, mit dem sie ja in vielerlei Hinsicht verbunden sind. Kommt es zum Beispiel wirklich zum Schulterschluss von Nationalisten? Manche Schweizer hoffen sogar darauf, weil sie glauben, das würde mehr Verständnis für die Sonderrolle unseres Landes als „gallisches Dorf“ in Europa erzeugen. Ich halte das für eine Illusion.

Haben einzelne EU-Länder überhaupt eine Chance auf der Weltbühne?

Nuspliger: Die USA, Russland oder China nehmen keine große Rücksicht mehr auf andere. In einer Welt, in der nur noch das Recht des Stärkeren gilt, werden die europäischen Länder nur dann eine Rolle spielen, wenn sie gemeinsam auftreten.

Hier geht’s zum Interview.

Mehr Nationalismus heisst weniger Demokratie, SGAP, Mai 2019

 Rudolf Wyder | Mai 2019 Die Europawahlen 2019 stehen im Zeichen einer demokratiepolitischen Multikrise: Zwischen Nationalismus, Populismus und Desinformation – wohin navigiert Europa?

Pünktlich zur Neuwahl des Europäischen Parlaments legt der EU-Korrespondent der NZZ Niklaus Nuspliger eine höchst lesenswerte Analyse zur Lage der Demokratie in Europa und zu ihren Zukunftsperspektiven im nationalen und übernationalen Rahmen vor. Für seine gründlich recherchierte und klug abwägende, dabei leicht lesbare Darstellung kann der Autor auf reiche Erfahrung aus seiner Korrespondententätigkeit in Brüssel und zuvor New York sowie von Reportagen in verschiedenen Weltteilen zurückgreifen.

Europa steht am Scheideweg. Nicht nur auf europäischer, auch auf nationalstaatlicher Ebene leiden die demokratischen Institutionen unter der Erosion von Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Nuspliger spricht in Anlehnung an den Politologen Larry Diamond von «demokratischer Rezession». Sie äussert sich etwa in schwindendem Rückhalt traditioneller Volksparteien, in rückläufiger Stimmbeteiligung oder in der Konjunktur, welche Protestparteien und Demagogen aller Couleur geniessen. Und in gelegentlichen plebiszitären Kurzschlusshandlungen, möchte man ergänzen.

Hier geht’s zur Kritik.

Buchbesprechung NZZ, 9.5.2019

Europas herausgeforderte Demokratie

Niklaus Nuspliger über die Gefahren von Nationalpopulismus und Technokratie in Europa – und neue Möglichkeiten der Partizipation der Bürger

Christoph Wehrli

(hier geht’s zum Online-Artikel)

Werbung für die bevorstehenden Wahlen des Europäischen Parlaments. (Bild: Felipe Trueba / EPA)

Bei der bevorstehenden Wahl des Europaparlaments wird mit einem Erfolg jener Parteien gerechnet, denen die EU als Inbegriff bürgerferner Politik gilt. Sofern Nationalpopulisten in ihren Staaten beanspruchen, allein «den» Volkswillen zu vertreten, tendieren sie allerdings dazu, die liberale, pluralistische und rechtsstaatliche Demokratie infrage zu stellen. Darin sieht Niklaus Nuspliger, NZZ-Korrespondent in Brüssel, ebenso eine Gefahr wie in einer Technokratie, die sich auf Sachlogiken oder auf die Verarbeitung persönlicher Daten beruft, statt der Politik den nötigen Raum zu lassen.

An mehreren Orten erkundet der Journalist, begleitet von theoretischer Literatur, Probleme und neue Formen der europäischen Demokratie. So erläutert er die Entscheidungsverfahren in Brüssel —­ die starke Stellung des Ministerrats, die begrenzten Möglichkeiten des Parlaments und auch den grassierenden Lobbyismus —, er resümiert die autoritäre Entwicklung in Ungarn, beschreibt die Erfahrungen mit elektronischen Plattformen zur Bürgerbeteiligung in Reykjavik oder verfolgt in der Normandie eine lokale Versammlung als Teil einer von Paris angesetzten Konsultation.

Krisenerscheinungen zwischen «Elite» und «Basis» sind verbreitet, namentlich dienen die alten Volksparteien nicht mehr hinreichend als Kanäle. Der Autor setzt sich besonders mit der Rolle digitaler Kommunikationsmittel auseinander. Einerseits führen sie zu raueren Debatten, verstärken partikulare Sichtweisen und erleichtern die Desinformation. Vor allem Datenmissbrauch und intransparente Machenschaften sind zu bekämpfen, Nuspliger setzt dabei auf Kooperation von Unternehmen und Behörden. Anderseits versprechen die neuen Medien Chancen für den Einbezug der Bevölkerung. Diverse Städte experimentieren mit Plattformen für Vorschläge und Diskussionen. Für die «Deliberation», den Austausch auf der Suche nach einem Konsens, scheinen sich aber althergebrachte Zusammenkünfte nicht zu erübrigen.

Alle solchen Verfahren sieht Nuspliger als belebende, von den Behörden ernstzunehmende Ergänzung der üblichen politischen Prozesse. Verbindliche Volksentscheide schliesst er auch auf europäischer Ebene nicht aus (obschon sie die bloss vertragliche Grundlage der EU wohl strapazierten). Die Grösse und Vielfalt der Union rechtfertige deren Demokratiedefizit nicht. Auch wäre ein Rückzug auf den Nationalstaat kein Ausweg, da die EU viel eher eine Mitgestaltung der Globalisierung erlaubt. So erscheint ihre Anfechtung als eines der Paradoxe der Situation. In dem gut lesbaren, das Thema gewiss nicht erschöpfenden Buch vermeidet Niklaus Nuspliger Dramatisierungen und aufdringliche Töne. Er wägt sein Urteil ab und vertritt umso glaubwürdiger ein Engagement für eine Demokratie, die die Menschenrechte achtet und die Zukunftsdebatte offenhält.

Niklaus Nuspliger: Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft. NZZ Libro, Basel 2019. 200 S., Fr. 27.90.

27.4.2019 Interview mit Radio SRF

Gespräch mit Ramona Costa auf SRF4 News zur Publikation des Buch «Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft».

Link zum Beitrag: https://www.srf.ch/sendungen/4×4/in-die-trauer-mischt-sich-wut

Book Review by Florian Eder, Brussels Playbook, Politico Europe

Link to the article: politi.co/2VWrqbH

By FLORIAN EDER 22.4.2019

A DIFFERENT VIEW: Niklaus Nuspliger, the EU correspondent for Swizerland’s Neue Zürcher Zeitung, takes a look at the state of Europe through a wider lens. And what he sees isn’t pretty. His new book, “Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokratenherrschaft” (“Europe, in between populist dictatorship and bureaucratic rule”), which hits bookstores in German tomorrow, describes the crisis of liberal democracies. It draws on his travels around the Continent — he reports from Budapest, Amsterdam, a tennis court in southern France, a “dusty bench on rondpoint Schuman” — and combines a Swiss sense of distance from the EU’s internal workings with his own sharp analysis on the success of illiberal politics. Refreshingly, the book doesn’t stop there.

How to engage with voters: The book’s most inspiring sections mull the question of how democracies can defend themselves from being taken over by a reckless majority and discuss the pros and cons of various forms of citizens’ participation, including direct democracy and Rousseau, the Italian 5Star Movement’s online democracy tool. He also goes on a fascinating tangent on how the Swiss manage to turn even the most radical referenda results into pragmatic policies.