Podiumsdiskussion Berlin, Welche Innovationen braucht Europas Demokratie? 1.7.2019

Residenz des Schweizerischen Botschafters I Otto-von-Bismarck-Allee 4, Berlin; Friedrich Naumann Stiftung Berlin-Brandenburg / Schweizerische Botschaft.

Am 2. Juli tritt das Europaparlament zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Europawahl zusammen. Die befürchtete Welle des Populismus ist zwar ausgeblieben, doch der Anspruch nach einem demokratischeren, bürgernäheren Europa besteht nach wie vor. Am Vorabend der Straßburger Plenarsitzung wollen wir über die Fragen diskutieren: Welche Krisen beherrschen die Politik? Und: Was für demokratische Innovationen sind notwendig, um aus der Multikrise herauszukommen?
Die Krise Europas ist vor allem eine Krise der liberalen Demokratie, die unter Beschuss steht durch das Vordringen autokratischer und populistischer Kräfte einerseits und durch technokratische, die individuellen Freiheiten eingrenzende Abwehrreaktionen durch Europas Institutionen andererseits. Der Journalist und Experte für Europapolitik Niklaus Nuspliger, seit 2013 Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Brüssel – dort zuständig für die EU, die Nato und die Beneluxstaaten – hat in seinem Buch „Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft“ zehn Thesen zur Wahrung der Demokratie in Europa entwickelt. Er wird diese im Gespräch mit europapolitischen Expertinnen und Polit-Praktikerinnen zur Diskussion stellen.

Diskussionsteilnehmer: Dr. Andrea Despot, Niklaus Nuspliger, Laura-Kristine Krause, Stefan Manser-Egli. Link zur Veranstaltung.

Moderation NZZ Podium, Historisches Museum Berlin: Populismus.

Trump, Le Pen, Fa­ra­ge, Gau­land, Ma­du­ro, Stra­che oder Sal­vi­ni do­mi­nie­ren der­zeit die Schlag­zei­len. So un­ter­schied­lich die­se Po­li­ti­ke­rin und die­se Po­li­ti­ker dies­seits und jen­seits des At­lan­tiks auch sind, so eint sie doch das La­bel «Po­pu­list». Aber wie wird die­ser Po­pu­lis­mus, der in al­ler Mun­de ist, ei­gent­lich de­fi­niert? Wie funk­tio­niert er? Was sind sei­ne Aus­prä­gun­gen? Sind die Po­pu­lis­tin­nen und Po­pu­lis­ten, was man häu­fig hört, tat­säch­lich das Sprach­rohr des Vol­kes? Und wer, bit­te schön, ist dann ei­gent­lich «das Volk»? Ein Abend zum Phä­no­men des Po­pu­lis­mus im Rah­men des De­mo­kra­tie-Schwer­punkts des Deut­schen His­to­ri­schen Mu­se­ums.

Link zur Veranstaltung.

Referent: Jan-Werner Müller / Diskussionsteilnehmer: Thea Dorn, Durs Grünbein, Eva Herzog, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Buchkritik, Süddeutsche Zeitung, Thomas Kirchner 13.5.2019

12. Mai 2019, 18:50 Uhr

Europas Chancen, Europas Risiken

Der Journalist Niklaus Nuspliger deutet das Brüssel-Projekt aus Schweizer Perspektive.

Von Thomas Kirchner

Schweizer Journalistinnen und Journalisten spielen eine Sonderrolle in Brüssel. Sie nehmen teil an den formellen und informellen Gesprächskreisen in Europas Hauptstadt, sind bestens informiert. Doch weil ihr Land nicht in der EU ist, scheint es, als könnten sie etwas unabhängiger, freier berichten, weil sie gleichsam von innen wie von außen auf die Union der Europäer blicken.

Niklaus Nuspliger, Brüssel-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung,beweist das nicht nur in seiner täglichen Arbeit, er hat diesen Vorteil nun auch in ein Buch umgemünzt, das die Lage der europäischen Dinge, im Guten wie im Schlechten, aus einer angenehm neutralen Perspektive beleuchtet. Wert und Nutzen der europäischen Zusammenarbeit stellt er keineswegs infrage, hat aber einen scharfen Blick für deren Defizite.

Unter den Buchdeckel packt er, in klarer, marottenfreier Sprache, allerlei. Zunächst einen Führer, der die verschlungenen und nicht leicht verständlichen politischen Abläufe der EU anschaulich macht. Er zeigt die Komplexität und die Beschränkungen der europäischen Demokratie auf, insbesondere das Problem der „unvollendeten“ EU-Demokratie: „Das Europaparlament und die Kommission sind zu schwach und die Mitgliedstaaten sind zu mächtig, als dass eine gesamteuropäische Demokratie entstehen könnte, die diesen Namen verdient.“ Die naheliegende Lösung, das Parlament noch mächtiger zu machen, hält Nuspliger für unrealistisch.

Daneben liefert das Buch einen Überblick über die Gefahren, die der Union drohen. Etwa von Nationalisten und Populisten: Das Gefährliche an ihnen ist ja nicht ihr Anrennen gegen die EU, dem man mit Argumenten begegnen könnte. Es ist ihr antipluralistischer, Andersdenkende unter Berufung auf „das“ Volk disqualifizierende Politikansatz, der sich mit der liberalen Demokratie nicht verträgt. Hinzu kommen tatsächliche und gefühlte Bedrohungen durch Technokratisierung, Globalisierung, die Echokammern der sozialen Medien, durch all die neuen Möglichkeiten, Menschen zu lenken und zu manipulieren.

Doch sieht Nuspliger auch die Chancen innovativer Technologien: für bessere Information und vor allem mehr Partizipation. Ausführlich bespricht er Modelle der deliberativen Demokratie, wie sie etwa der Belgier David Van Reybrouck vertritt. Er sieht kein Allheilmittel darin, sondern eine Ergänzung zum normalen politischen Wettstreit über Wahlen und Abstimmungen. Wie er auch die direkte Demokratie, mit der er sich als Schweizer auskennt, der EU nur in gezielten Dosen empfiehlt, jedenfalls nicht in Form von nationalen Volksabstimmungen zu europäischen Themen.

Dieses Buch steckt randvoll mit Gedanken und Beobachtungen, die zum Weiterdenken animieren. Mehr geht kaum auf so wenig Platz.

Handelsblatt, 23.5.2019

Wie Europa zu mehr Zusammenhalt finden kann

Europa muss sich reformieren – aber wie? Mehrere Buchtitel machen vor der anstehenden Wahl Vorschläge, um die Europäer einander näher zu bringen. Eva Fischer 23.05.2019 – 15:10 Uhr 

In drei Büchern werden Lösungen vorgestellt, die Europa zu mehr Zusammenhalt führen könnten. Quelle: dpa

In drei Büchern werden Lösungen vorgestellt, die Europa zu mehr Zusammenhalt führen könnten.(Foto: dpa)

Brüssel Die Landeskürzel auf den Namenskarten zeigen, wo die Deutschen, Niederländer, Italiener, Spanier, Franzosen, Portugiesen und all die anderen Nationen ihren Platz haben. Es ist ein Treffen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, einer beratenden EU-Institution im Brüsseler Politikbetrieb.

Am Rand des Konferenzsaals befinden sich 23 schalldichte Kabinen hinter einer Glasfront. Dort sitzen die Dolmetscher für die Amtssprachen der EU, darunter Minisprachen wie Maltesisch und Gälisch. Die Luxemburger haben auf eine letzeburgische Simultanverdolmetschung verzichtet, deshalb gibt es nur 23 und nicht 24 Kabinen. Aber auch so ist es ein Wirrwarr für die Übersetzer: Jede Sprache in jede andere zu übersetzen ergibt rein rechnerisch 276 Kombinationen.

Rein räumlich sind sich die Europäer wohl nirgendwo so nah wie in den EU-Institutionen. Und doch liegt eine große Barriere zwischen ihnen. Jakob, Jack, Jacques, Giacomo und Jakub reden zwar miteinander und tauschen Argumente aus, aber eben nur mithilfe von Dolmetschern.

Hier geht’s zur Buchbesprechung.


Interview Augsburger Allgemeine, 22.5.2019

Schweizer Journalist Nuspliger: „Demokratien sterben schleichend“

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Symbolträchtig: Europas Sterne drohen zu sinken.Bild: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

Der Schweizer Journalist und Buchautor Niklaus Nuspliger spricht im Interview über die Frage, ob und wie Europa noch zu retten ist.

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VON MICHAEL STIFTER

Herr Nuspliger, sind die Schweizer froh, dass Sie das „Endspiel um Europa“ nur vom Spielfeldrand aus beobachten müssen?

Niklaus Nuspliger: Es stimmt schon, wir sind nicht so direkt betroffen. Aber die Schweizer interessieren sich schon sehr dafür, was mit diesem Europa passiert, mit dem sie ja in vielerlei Hinsicht verbunden sind. Kommt es zum Beispiel wirklich zum Schulterschluss von Nationalisten? Manche Schweizer hoffen sogar darauf, weil sie glauben, das würde mehr Verständnis für die Sonderrolle unseres Landes als „gallisches Dorf“ in Europa erzeugen. Ich halte das für eine Illusion.

Haben einzelne EU-Länder überhaupt eine Chance auf der Weltbühne?

Nuspliger: Die USA, Russland oder China nehmen keine große Rücksicht mehr auf andere. In einer Welt, in der nur noch das Recht des Stärkeren gilt, werden die europäischen Länder nur dann eine Rolle spielen, wenn sie gemeinsam auftreten.

Hier geht’s zum Interview.

Mehr Nationalismus heisst weniger Demokratie, SGAP, Mai 2019

 Rudolf Wyder | Mai 2019 Die Europawahlen 2019 stehen im Zeichen einer demokratiepolitischen Multikrise: Zwischen Nationalismus, Populismus und Desinformation – wohin navigiert Europa?

Pünktlich zur Neuwahl des Europäischen Parlaments legt der EU-Korrespondent der NZZ Niklaus Nuspliger eine höchst lesenswerte Analyse zur Lage der Demokratie in Europa und zu ihren Zukunftsperspektiven im nationalen und übernationalen Rahmen vor. Für seine gründlich recherchierte und klug abwägende, dabei leicht lesbare Darstellung kann der Autor auf reiche Erfahrung aus seiner Korrespondententätigkeit in Brüssel und zuvor New York sowie von Reportagen in verschiedenen Weltteilen zurückgreifen.

Europa steht am Scheideweg. Nicht nur auf europäischer, auch auf nationalstaatlicher Ebene leiden die demokratischen Institutionen unter der Erosion von Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Nuspliger spricht in Anlehnung an den Politologen Larry Diamond von «demokratischer Rezession». Sie äussert sich etwa in schwindendem Rückhalt traditioneller Volksparteien, in rückläufiger Stimmbeteiligung oder in der Konjunktur, welche Protestparteien und Demagogen aller Couleur geniessen. Und in gelegentlichen plebiszitären Kurzschlusshandlungen, möchte man ergänzen.

Hier geht’s zur Kritik.

May 15th Book Presentation in Brussels

Can Innovation and Direct Engagement Bring European Democracy Back to the People? 

A joint event of the Friedrich Naumann Foundation for Freedom and
the Mission of Switzerland to the EU, with a book presentation by N. Nuspliger

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Niklaus Nuspliger, author of „Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft“ (“Europe between Populist Dictatorship and Bureaucratic Rule”) identifies two main reasons for the European democracy crisis. On the one hand, citizens in the “institutional jungle” of the EU have lost the overview and possibility to influence. On the other hand, representative democracy has generally fallen into crisis, therefore fueling a sense of disempowerment among citizens. This results in the loss of confidence in the institutions, growing political apathy, the declining performance of traditional people’s parties, but also political polarization and fragmentation. Nuspliger offers ways out of this dilemma between authoritarianism and technocracy, through stronger and more innovative direct involvement of citizens.

This event will discuss the state of the union, forms of democratic innovation, as well as direct participation by citizens as a way to bring European democracy back to the people.

Wednesday, 15 May 2019

Registration: 12:00h

Event & Light Lunch: 12:15 – 14:00h

Venue: Swiss Mission to the EU, Place de Luxembourg 1, 1050 Brussels

Kindly register for this event by 13 May 2019 at https://tinyurl.com/y4gojmgc *

Welcome:

Urs Bucher
Head of the Swiss Mission to the EU

Thomas Ilka

Director European Dialogue,
Friedrich Naumann Foundation for Freedom

Speakers:

Niklaus Nuspliger
Author, Brussels Correspondent of NZZ

Alexander Miesen

President, Parliament of the German-speaking Community

Simona Pronckute (tbc)

Board member, ECI Campaign

Moderator:

Valentina Pop

Brussels correspondent, Wall Street Journal

The event will be accompanied by simultaneous interpretation in German and English.

Interview, ZDF, 12.5.2019

Wie Europa von außen wirkt-„Gefahr eines schleichenden EU-Zerfalls“

12.05.2019 06:35: Im heute.de-Interview spricht der Schweizer Autor Niklaus Nuspliger über hausgemachte Probleme der EU, nationalistische Kräfte und Chancen für Europa durch echte Bürgerbeteiligung.

Demonstration in Brüssel
Die meisten Bürger seien pro-europäisch eingestellt aber unzufrieden mit der real existierenden EU, sagt der Schweizer Journalist Nuspliger. 
Quelle: dpa

heute.de:Sie erforschen das Innenleben der Europäischen Union (EU) als Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ in Brüssel. Wie erleben Sie als Schweizer die EU tagtäglich?

Niklaus Nuspliger: Brüssel ist eine sehr internationale Stadt, und doch verkehren viele Medienschaffende, Beamte und Abgeordnete in nationalen Blasen. Als Schweizer Journalist beobachte ich die EU nicht aus der Perspektive eines Mitgliedstaats, sondern versuche, das große Ganze im Blick zu halten. Die EU hat ja durchaus Ähnlichkeiten mit der Schweiz mit ihren unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen, sie wirkt aber auf die Bevölkerung wesentlich komplexer und undurchsichtiger.

heute.de:Sie kommen viel herum in Europa; aktuell erreichen wir Sie in Rumänien. Wenn Sie mit Bürgern dort, aber auch in anderen Teilen des Kontinents über die EU sprechen, welche Eindrücke bekommen Sie da derzeit vor allem vermittelt?

Nuspliger: Ich habe den Eindruck, dass die meisten Bürger pro-europäisch eingestellt sind. Aber sie sind unzufrieden mit der real existierenden EU. An einem Bürgerdialog mit EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker vor dem EU-Gipfel in Sibiu fragte ein junger Rumäne, warum die EU-Regierungschefs über die Zukunft diskutierten, ohne die Jugendlichen an den Gipfel einzuladen. Dieses Bedürfnis nach mehr Partizipation spüre ich in ganz Europa, es hat sich auch in Frankreich in den Protesten der Gelbwesten entladen.

Hier geht’s zum Interview.